Viele von Euch sind – wie wir natürlich auch – von der griechischen Musik fasziniert, begeistert, ja fast besessen. Und sicher habt auch Ihr Euch schon mal gefragt, woran das eigentlich liegt.
Ist es der besondere Klang der griechischen und kretischen Instrumente?
Sind es der Takt, die Rhythmen und Melodien, der Wechsel zwischen „Adagio“ und „Allegrissima“?Sind es die Stimmen der Sänger und Sängerinnen, ihr Pathos oder gar die Texte?
Die meisten von Euch werden sicher sagen: „die Kombination aus all dem!“
Doch was ist das eigentliche Wesen des griechischen Liedes, des „tragoudi“ (το τραγούδι), in dessen Wort ja irgendwie „Tragödie“ enthalten ist?
Aus gegebenem Anlass haben wir eine „Definition“ von keinem geringerem als dem großen Mikis Theodorakis (Μίκης Θεοδωράκης) gefunden, die wir an dieser Stelle mit Euch teilen wollen:
„Schauen Sie sich das Wort „tragoudi“ an, das griechische Wort für „Lied“. Dieses Wort ist eine direkte Ableitung des Begriffs „tragodia“, der Tragödie also. Was heißt „tragodia“?
Ursprünglich bezeichnete das die Oden an den „Bock“, den „tragos“ – womit Dionysos gemeint war, der Gott des Rausches, der Trunkenheit. Eine solche Art von Lied kommt mitten aus dem Volk, und dort bleibt es – heilig, berauschend, immer wiedergeboren. Man kann das Wort „tragoudi“ daher nicht übersetzen. Die Wörter „Folk“ oder „Pop“, die man zur Hilfe nehmen möchte, drücken es nicht richtig aus, das deutsche „Schlager“ schon gar nicht. Es ist wahr, dass ich es als erster wagte, die Werke großer Poeten zu vertonen und zu „Alltagsliedern“ zu machen, damit alle Griechen sie singen können, ohne Ausnahme und indem sie sich losreissen von ihrem individuellen Schicksal, das sie voneineinander trennen mag.
Damit ein Fremder begreift, was das wirklich bedeutet, müsste er sich vorstellen, dass man in Deutschland jeden Tag Goethe, in England vielleicht T.S. Eliot und in Frankreich Paul Eluard singen würde – zu Hause, in der Taverne, bei der Arbeit, in der Schule oder während einer Demonstration.“ (*)
Jawoll, genau das isses! werden jetzt viele von Euch sagen – und es vermutlich nie wieder so beschreiben können, wie Mikis es tut.
PS: Dank an Melina und ihr Greece on Tour für das wundervolle Foto!
(*)Quelle: Mikis Theodorakis im Gespräch mit Hansgeorg Hermann, 2006. Gefunden in der Biografie „Mikis Theodorakis – Der Rhythmus der Freiheit“.