Mülltrennung – Ein Dorf erzieht Politiker und Bürger

Hauptsaison auf Korfu und die Insel zeigt sich nicht gerade von ihrer besten Seite: Es stinkt und qualmt – Müllberge türmen sich vor Hotels, öffentlichen Einrichtungen, an Stränden und im Zentrum. Ratten, Ungeziefer und Schimmelpilze breiten sich aus und stellen mittlerweile eine ernszunehmende Bedrohung für die Gesundheit dar. Seit bald drei Wochen ist die Situation nahezu unverändert.

fwtia_viologikosWas ist eigentlich los?

Der Müll wird nicht mehr abgefahren, weil die einzige auf Korfu vorhandene Deponie in Temploni von den Einwohnern des Dorfes besetzt wird. Die Bürger wehren sich dagegen, dass die Behörden seit Jahren nichts gegen die nicht nur chronisch überfüllte sondern auch unzureichend gesicherte Deponie unternehmen, obwohl diese Mängel seit langem bekannt sind. Sie betreffen vor allem den unsachgemäßen Umgang mit Biogas, die fehlende Behandlung von austretenden Flüssigkeiten (Leckagen) und das Vorhandensein von Abfällen, die auf der Deponie nicht behandelt werden dürfen.

Zwar landete Griechenland bereits im Dezember 2015 aufgrund diesen Tatbestandes vor dem Europäischen Gerichtshof! Der verklagte das Land mit der Begründung, dass seit mindestens 2007 gegen die EU-Rechtsvorschriften in den Bereichen Abfall und Deponien (Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und Richtlinie 1999/31/EG des Rates) verstoßen werde. Zweck der Klage war, die Regierung zu den notwendigen Maßnahmen zu drängen, die das ordnungsgemäße Funktionieren der Temploni-Deponie gewährleisten sollten.  Aber sie blieb erfolglos und die Deponie wird weiter  betrieben, weiter unter Verstoß gegen das EU-Abfallrecht und stellt eine ernste Bedrohung für die Umwelt und die Anwohner dar.

Die einzigen Maßnahme, die bisher ergriffen worden ist, ist den Abfall maschinell zu komprimieren und somit sein Volumen zu verringern. Ansonsten wurden Versprechungen gemacht – leere Wahlversprechen, wie sich herausstellte.

Nun wehren sich die Bürger der Region auf ihre Weise um Druck auf die Politiker auszuüben. Sie bestzen die Einfahrt zur Deponie und lassen die beladenen Müllfahrzeuge nicht auf das Gelände. Seither türmt sich der Müll. Teils auf private Initiativen hin wird er seitdem nur noch von den besonders sensiblen Regionen, den Stränden und dem historischen Zentrum abgeholt und provisorisch zwischengelagert.

Doch die Bürgerinitiative drängt auf ganzheitliche und langfristige Maßnahmen: Statt der Endlagerung von Müll und recyclebaren Wertstoffen muss ein tragfähiges Abfallwirtschaftskonzept her. Ein Gedanke, der in den Köpfen der Lokalpolitiker scheinbar nur langsam reift. Erst in den letzten Tagen kündete der Oberbürgermeister an, eine wissenschaftlich fundierte Studie zum Thema in Auftrag geben zu wollen.

Geld ist übrigens dieses Mal nicht das Problem, denn die Maßnahmen würden mit EU-Mitteln in Millionenhöhe gefördert.

Dass man dieser Situation überhaupt eine gute Seite abgewinnen kann, grenzt an Ironie. Und dennoch: Es scheint sich etwas zu verändern! Nicht von Seiten der Politiker, aber in den Köpfen derjenigen, die unter den Müllbergen ersticken. Plötzlich wird das Thema Mülltrennung heiß diskutiert. Und immer mehr Geschäfts- und Lokalinhaber beschäftigen sich aktiv mit dem Thema. Denn Papier und Glas ist zur Zeit das Einzige, was man noch irgendwie los wird.

Ein Tipp an die deutsche Bevölkerung von Korfu: Nicht mit erhobenem Zeigefinger herumspazieren (den braucht man im Augenblick sowieso dringender zum Nase-Zuhalten) sondern mit gutem Beispiel voran gehen! Müll trennen oder noch besser: Vermeiden.

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4 Kommentare

  1. nun ja – hab Bilder von den Müllbergen an den Straßen Korfus gesehen – Urlauber haben sie mir entsetzt gezeigt und mich gefragt – ob es bei uns auch so – klares Nein konnte ich antworten! Ja Mülltrennung geht bei uns vorwärts – zu mindestens wurde ein Glascontainer schon aufgestellt. Unsere Deponie – zwischen Plataria/Sivota – is weit in die Berge verlegt worden – uuuuund all das ohne Streiks – eher das Gespräch der Bürger (zum größten Teil die Deutschen hier)mit dem Bürgermeister! Natürlich gibt es hier auch noch die Kleindeponien – der Grieche selbst – nimmt halt immer noch, den Weg des geringsten Wiederstandes!

  2. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man lachen. In der letzten Woche erschien ein Interview in der TAZ mit dem Bürgermeister von Korfu Kostas Nikolouzos. Er wetterte gegen den Verkauf des Flughafens an Fraport. Hat er keine Müllsorgen? Nach einem Telefonat vom 29. 6. 2016 sagte mir mein Informant aus Korfu, dass die Inselbewohner haufenweise Müll vor dem Amtssitz des Bürgermeisters abgeladen haben. Mein Rat: Statt Vorträge in Berlin und Frankfurt zu halten, sollte er den Müll vor seinem Amtssitz wegräumen. Fragt sich nur wohin?

    Dieter Born

    Möllers Kamp 9

    21029 Hamburg. Ab August wieder in Korfu. Paleokastritsa
    

  3. Wir sind seit fast 30 Jahren Mitcorfioten. Da wir, aus Berufsgründen meines Mannes, mit Müllverbrennungsanlagen zu tun hatten, haben wir zwischen 2005 und 2008 den Kontakt zu den damals Verantwortlichen gesucht. Ergebnisse der Unterredungen: Man habe nicht genug Müll im Winter, es würde sich nicht rentieren, es wäre nicht interessant für die Insel und, und, und. Auch als man Kreta als Beispiel angegeben hat, keine Reaktion. Auch auf meinen Brief im Juli diesen Jahres an den Bürgermeister, keine Reaktion. Uns tut es unendlich leid für die Bewohner (und somit auch für uns) und diese wunderschöne Insel. Gegen Ignoranz scheint kein Kraut gewachsen.

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