Giannis Milios – der „Deutschland-Versteher“
Das „wirtschafts- und sozialpolitische Gesicht der Partei“ nennt der frühere Osnabrücker Professor Dieter Otten den prominenten Wirtschaftsberater von Syriza-Chef Alexis Tsipras . Otten lebt in Griechenland, der Unternehmer sympathisiert mit Syriza . Und er saß 1988 im Promotionsausschuss der Universität Osnabrück, als Milios dort seinen Doktortitel erhielt. „Wir sind ziemlich stolz auf ihn“, sagt der emeritierte Soziologie-Professor Otten über sich und seine damaligen Kollegen, die Milios kannten.
Titel der Doktorarbeit: „Nationalstaat und Kapitalismus. Der Fall Griechenland“. Welche Rolle spielen Nationalstaaten in einer internationalen Wirtschaftswelt? Die Frage ist aktueller denn je. Und Milios hat das als weitsichtiger Wissenschaftler vielleicht schon geahnt, damals in Osnabrück.
Wo er sich übrigens sehr wohl gefühlt hat. Er denke gern an die Stadt und an seine Alma Mater zurück, sagt der ruhige, sympathische 62-Jährige: „Das war eine sehr gute Zeit in meinem Leben.“ Seinen Doktorvater lotste Milios später zu zwei Konferenzen nach Griechenland, wo er heute als Professor für Politische Ökonomie und Geschichte des Ökonomischen Denkens an der Nationalen Technischen Universität Athen lehrt.
Aber die vier Jahre in Osnabrück waren nicht Milios’ einziger Lebensabschnitt in Deutschland. Zuvor hatte er in Darmstadt Maschinenbau studiert – um dann seine wahre Berufung zu entdecken, die „Kritik der politischen Ökonomie“, begründet von Karl Marx.
Milios, der sich als Marxist bezeichnet, hatte also reichlich Gelegenheit, Deutschland zu analysieren – jenes mächtige Land, dessen konservative Regierung den Griechen gegenwärtig am unnachgiebigsten schmerzhafte Reformen abfordert. Er, der überzeugte Linke, hegt deshalb keinen Groll. Aber er erinnert oft daran, dass auch Deutschland einmal auf die Hilfe und die Großmut anderer Länder angewiesen war. 1953 leitet das Londoner Schuldenabkommen einen radikalen Schuldenerlass für das kriegszerstörte Deutschland ein.
„Griechenland gehörte zu den Staaten, die diesen Schuldenschnitt mit Deutschland vereinbarten“, sagt Milios. „Er hat dazu beigetragen, dass in Deutschland das Wirtschaftswunder stattfinden konnte.“ Für viele Griechen habe das symbolische Bedeutung.
Giannis Milios hat Parteichef Tsipras auch schon zu Bundesfinanzminister Schäuble begleitet. Anfang Januar warb der wirtschaftspolitische Sprecher der Partei erneut in Berlin für Syrizas Position.
Als Wissenschaftler hat Milios mit anderen Syriza-Kollegen schon einen konkreten Vorschlag (PDF) vorgelegt, um Europa zu entschulden: Die Europäische Zentralbank soll temporär einspringen, um den Staaten Zeit für Wachstum und Schuldenabbau zu geben.
Die Grundidee hat er bei dem Genfer Starökonomen Charles Wyplosz geborgt, das Modell aber so angepasst, dass Griechenland mehr davon hätte: Statt einer Halbierung der Schulden soll die EZB den Überhang von mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts übernehmen – die im Maastrichter Vertrag vorgesehene Obergrenze. Aber wer außer Syriza spricht heute noch von dieser 60-Prozent-Grenze?
man kann nur hoffen, das nicht die Hoffart lenkt. Sondern Vernunft auf Lebenszeit …
Hallo
bezüglich des geforderten Schuldenschnitts sollte A.Tsipras und Giannis Milios einfach mal folgende Fakten zur Kenntnis nehmen:
„Griechenland muss die Hilfskredite aus dem ersten Rettungspaket ohnehin erst zwischen den Jahren 2020 und 2041 abzahlen, die Zinsen wurden bereits deutlich gesenkt. Beim zweiten Griechenland-Paket muss Athen erst zwischen 2023 und 2057 Kredite tilgen, Zinszahlungen wurden 2012 um zehn Jahre aufgeschoben. Im Grunde wird Athen also jetzt schon entlastet“
außerdem wurden ja in einem ersten schuldenschnitt über 100 Milliarden erlassen !!!!
Interessanterweise ist in der Nachricht von Premier Tsipras an die Deutschen oft von der Würde des griechischen Volkes die Rede, die sehr gelitten hat. Wer die Griechen kennen und lieben gelernt hat, weiß, dass dies der Schlüssel zum Verständnis der gegenwärtigen politischen Entwicklung ist. Die Mehrzahl der Deutschen ist gut beraten, sich nicht zu Lehrern und Richtern zu erheben, anstatt den Menschen in Griechenland die Hand zu reichen und ihnen auf Augen- und Herzensebene zu begegnen. Diese wahnsinnigen Schuldenbeträge, unter denen sich niemand mehr etwas vorstellen kann, sind nur Zahlen, die als Machtmittel eingesetzt werden. Wir vergessen so leicht, dass wir alle eines Tages mit leeren Taschen gehen werden.
Ja, Anadi, das sehe ich genau so!